»Trierlogie«

Notiz Februar 2007

„Mein erster Ansatz der Serie liegt in der Nacht. Es regnet in Strömen. Ich parke  das  Auto  und  blicke  durch  die  regennasse  Scheibe  auf  den erleuchteten  Eingangsbereich  eines  Kinos.  Ich  nehme  die  Kamera  aus  der Tasche,  aber  bevor  ich  auslöse,  wird  mir  klar,  dass  ich  dieses  Bild  schon gesehen habe. Ich verlasse das Auto und mache mich auf den Weg in die Innenstadt. An der Fußgängerunterführung vor der Porta Nigra angekommen, sehe ich, wie das Wasser  seitlich  an  den  Treppen  herunter  läuft.  Ich  folge  dem  Lauf  des Wassers in die Unterführung. Unten sammelt sich auf dem Boden das Regenwasser,  es  riecht  nach  Urin  und  die  Wände  sind  voller  Graffiti. Der Aufgang, den ich früher benutzt hatte, um in die Parkanlage zwischen den zwei großen Alleen zu gelangen, ist mit einer Bretterwand verschlossen. Ich begebe  mich  auf  die  andere  Seite  des  unterirdischen  Sees.  In  diesem Moment  wird  mir  bewusst,  dass  ich  mich  mitten  im  ersten  Motiv der Serie über meine Haimatstadt Trier befinde.“

 

 

 

 

 

 

Porta Nigra, Unterführung

 

 

Eine zweite Erzählebene in »Trierlogie« öffnen Zitate aus einem Interview mit meiner Urgroßmutter Bertha Zirvas. In diesem Interview berichtet sie aus ihrem Leben in Trier ab dem Jahre 1910 an. Die Auswahl der Textstellen umschließen hauptsächlich ihre Erzählungen über die Zeiten der ersten beiden Weltkriege in Trier. Die sichtbaren Kriegsentwicklungen, die ersten Kriegsjahre, die Zwangsevakuierung durch die Nazis im März 1945, die Rückkehr in ein befreites, durch die Kämpfe der letzten Kriegstage stark zerstörtes Trier, die Folgen des Krieges, das Warten auf die Angehörigen in Gefangenschaft und das Nachkriegsleben. Ich habe bewusst die Textzeilen aus dem Interview mit meiner Urgroßmutter Bertha Zirvas ausgewählt, die eine Zeit in Trier beschreiben, die dem heutigen Stadtleben fern zu sein scheint. Die Krisen- und Kriegsgebiete haben sich in andere Länder verschoben. Die heutige weltpolitische Entwicklung weist mehr kriegerische Auseinandersetzung als zur Zeit des 2. Weltkrieges auf. Als wären die Rückschlüsse, die aus den Folgen der beiden Weltkriege gezogen wurden und die Erkenntnisse daraus, wieder vergessen worden.

 

 

 

 

 

 

Alte Brücke, Römerbrücke

[ … ] „Nach zwei Tagen bekamen wir durch einen Bekannten die Nachricht wir sollten sofort nach Trier kommen, Klara wäre in Gefahr. Mein Mann ich ich nahmen unser Fahrrad, banden unsere kleinen Habseligkeiten, die wir mitgenommen hatten, an das Fahrrad und gingen von Dhron bis nach Trier. Zwei Tage brauchten wir dazu. Es war in der Karwoche 1945. Wir kamen an die „alte Brücke“ auf Gründonnerstag. Die Posten sagten vor Ostern wird niemand mehr in die Stadt Trier eingelassen. Wir stellten unser Fahrrad in eine Ecke. Ich sehe es heute noch vor mir: ein Spazierstock mit dem Silbergriffel, einen Schirm und denn einen Sack mit den Kleinigkeiten was wir noch hatten. Auf einmal wurde es dann bekannt, es fährt noch ein Transport nach Trier.  Mein Mann und ich setzten uns in den Lastwagen und wurden von den Amerikaner registriert.“ 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bertha Zirvas ( 1888 – 1974 ). Das Interview wurde 1970 von Ursula Reuter Christiansen ( Enkelin ) geführt. Toaufzeichnung von Henning Christiansen ( Fluxuskünstler und Komponist ).